Mit dem Aufeinandertreffen zweier starker Persönlichkeiten aus dem Werk Heinrich von Kleists ging am Sonntag das nach dem Dramatiker benannte Theater- und Literaturfestival in Frankfurt (Oder) zu Ende. Unter dem Motto „Die Wahrheit ist…“ gaben die Kleist-Festtage dem Publikum elf Tage lang die Gelegenheit, in mehr als 20 Veranstaltungen herauszufinden, was die Wahrheit alles sein kann und wie es selbst zu ihr steht.
Zu den Höhepunkten im Kleist Forum zählte die Frankfurter Premiere des Kleist-Förderpreisträgerstücks „Wonderwomb“ von Amir Gudarzi über die globale Welt, ihre Zusammenhänge und Abhängigkeiten und die Macht des Erdöls, das alles am Laufen hält und zu dem alles zurückkehrt. Die multimediale Performance „Animate“ des kanadischen Medienkünstlers Chris Salter ermöglichte eine beeindruckende, virtuelle Reise in eine vielleicht nicht mehr ferne Zukunft, in der die Klimakatastrophe Realität geworden ist. In der Konzert-Lesung „I’m only dancing“ ließen Multitalent Alexander Scheer und seine Band die berauschend-ekstatische Welt des Ausnahmekünstlers David Bowie lebendig werden. Die Macht des Erzählens und die Magie des Theaters feierte das internationale Ensemble Familie Flöz in seiner Produktion „Hokuspokus“ – ohne Worte, dafür mit Masken, Musik, hintergründigem Witz und ganz viel Poesie.
Eine freche und berührende Bestandsaufnahme der Welt lieferte der deutsche Poetry-Slam-Meister David Friedrich in „APOCALYPPO“. Die Show feierte ihre Uraufführung in Frankfurt (Oder) und wird in Zukunft auf weiteren Bühnen im deutschsprachigen Raum zu sehen sein. Am Puls der Zeit ist auch das Projekt „Hate Speech“ des Berliner Regisseurs Thomas Roth mit polnischen und ukrainischen Theatergruppen auf dem Brückenplatz des Vereins Słubfurt: Es setzt sich mit Hassrede und dem Ausbruch von Gewalt auseinander und wird über die Kleist-Festtage hinaus fortgesetzt.
Auch der Namensgeber der Festtage kam nicht zu kurz: Im Kleist-Museum eröffnete die Sonderausstellung „Kleist romantisch“. Noch bis zum 15. Januar 2023 können Besucher:innen nicht nur erkunden, wie viel Romantik im Werk Heinrich von Kleists steckt und darüber abstimmen, sondern auch, wie romantisch sie selbst sind. Bei der Entscheidung helfen Bilder, Musik, Projektionen, romantische Avatare, Reiseutensilien aus dem ‚Romantik-Hotel‘ und vieles mehr.
Inspiriert von der Farbe Blau, die für Romantik und Wahrheit steht, lud das Kleist-Museum zu sieben „Blauen Stunden“ ein: Es gab eine Blaulicht-Warnung mit dem rbb-Polizeireporter Uwe Madel, ein Vortrag Wolfgang de Bruyns über blaue Blumen in Literatur und Natur, einen Workshop mit dem Fotografen Tobias Tanzyna, um morgens um halb 6 Uhr die verschiedenen Blautöne zwischen Nacht und Tag festzuhalten, Sternenbeobachtungen im Planetarium, Kunst-Werkstätten mit Jette Panzer und Linn Kroneck vom Brandenburgischen Landesmuseum für Moderne Kunst sowie eine Karaoke-Party zum 245. Geburtstag Heinrich von Kleists.
Vielfältig war die Auseinandersetzung mit Kleist Werken: Fanny Staffa nahm Besucher:innen bei ihrer Lesung im Museum mit in die Gedankenwelt Kleists, Clemens Brentanos und Achim von Arnims zu Gemälden Caspar David Friedrichs. In einer beeindruckenden szenischen Lesung im Foyer des Kleist Forums interpretierten Sandra Hüller und Jens Harzer Kleists Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“. Und zum Finale brachte Thomas Thieme Dorfrichter Adam und Robert Guiskard erstmals in einer musikalischen Lesung zusammen: Zwei machtbesessene Männer, die sich eine Wirklichkeit erschaffen, die ihren Bedürfnissen entspricht, und die Suche nach „Wahrheiten“ zu einem Detektivspiel werden lassen.
„Haben wir die Wahrheit gefunden? Wir wissen es nicht. Aber wir sind sicher, dass wir bei diesen Kleist-Festtagen ganz viel Wahrhaftigkeit erlebt haben“, resümieren Anke Pätsch, die Direktorin des Kleist-Museums, und Florian Vogel, der Künstlerische Leiter des Kleist Forums, die das Festivalprogramm kuratiert haben. „Das Konzept der diesjährigen Kleist-Festtage ging auf! Es kamen überraschend viele sehr unterschiedliche Menschen. Auch aus dem Umland und von weiter weg. Die Kleist-Festtage sind nicht mehr nur ein Geheimtipp in Frankfurt (Oder)“, so Anke Pätsch. „Neben dem großen Publikumszuspruch aus allen Teilen des Landes war das Festival geprägt von einem unglaublich regen Austausch auf, vor und hinter unseren Bühnen“, sagt Florian Vogel. „Dadurch konnten wir allen, die da waren, Energie und Kraft für die Zukunft schenken und ihnen das Gefühl geben, mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein zu sein. Das hat mich beeindruckt und macht mich glücklich.“
Quelle: Messe und Veranstaltungs GmbH Frankfurt (Oder)