Mehr als die Hälfte aller Wohnungen im Landkreis sind älter als 45 Jahre – Baustoff-Fachhandel warnt vor Kürzungen bei Förderprogrammen
Die Wohngebäude im Kreis Oder-Spree stehen vor einer gewaltigen Herausforderung: Von den rund 95.400 Wohnungen im Landkreis sind 53.800 bereits 45 Jahre oder älter – das entspricht 56 Prozent des gesamten Bestands. Diese Altbauten sind „mehr oder weniger reif für eine Sanierung“, wie eine aktuelle Analyse des Pestel-Instituts zeigt.
Energieverbrauch leicht unter Bundesdurchschnitt
Trotz des hohen Anteils an Altbauten zeigt sich ein überraschend positives Bild beim Energieverbrauch: Die Wohngebäude im Landkreis verbrauchen pro Quadratmeter 3,2 Prozent weniger Energie als der bundesweite Durchschnitt. „Das liegt an der besonderen Struktur der Gebäude im Kreis“, erklärt Matthias Günther vom Pestel-Institut, der die Altersstruktur und den Gebäudetyp mit dem Bundesdurchschnitt verglichen hat.
Klimaneutralität bis 2045: Ein Mammut-Projekt
Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, den gesamten Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral zu machen, müssen die Sanierungen deutlich beschleunigt werden. „Wenn der Kreis Oder-Spree bis dahin klimaneutral wohnen soll, dann ist es notwendig, bei den Sanierungen in den ‚Turbo-Gang‘ zu schalten“, betont Günther.
Die Kosten sind beträchtlich: 306 Millionen Euro pro Jahr müsste der Landkreis für Energiespar-Sanierungen aufbringen – und das zwei Jahrzehnte lang. Diese Berechnungen basieren auf einer bundesweiten Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“.
Baustoff-Fachhandel fordert mehr Förderung
Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Studie in Auftrag gegeben hat, spricht von einem „Mammut-Projekt“. Sie fordert mehr finanzielle Unterstützung für Hauseigentümer: „Entscheidend ist, dass mehr private Hauseigentümer mitziehen. Das klappt nur, wenn die Politik mehr Anreize schafft.“
Besonders kritisch sieht sie die Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), Förderprogramme für die Sanierung um mehr als 3 Milliarden Euro zu kürzen. „Es ist höchste Zeit, Energiespar-Sanierungen deutlich besser zu fördern als bislang“, mahnt Metzger.
Wohnungsbaukrise verstärkt das Problem
Die aktuelle Wohnungsbaukrise verschärft die Situation zusätzlich. Obwohl Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) versprochen hat, dass „die Bagger auch wieder rollen“, wartet der Kreis Oder-Spree noch immer auf den versprochenen Neubau-Turbo. „Dem Bau rutschen die Kapazitäten weg: Bauarbeiter verlieren ihre Arbeit, Betriebe machen dicht“, warnt Metzger.
Sanierungen könnten hier eine wichtige Rolle spielen: Sie würden helfen, Arbeitsplätze auf dem Bau im Kreis Oder-Spree zu sichern und der Branche den dringend benötigten Schub geben.
Praktische Tipps für Hauseigentümer
Experten raten zu einer durchdachten Herangehensweise bei Sanierungen:
Energetische Prioritäten setzen: „Um Heizkosten zu senken, sind Dachdämmung, neue Isolierfenster und Wärmepumpen das A und O“, erklärt Institutsleiter Günther. Wichtig sei vor allem, dass „ab der obersten Geschossdecke überhaupt etwas passiert“.
Umfassend statt stückweise sanieren: Wenn möglich, sollten Eigentümer mehrere Maßnahmen gleichzeitig durchführen. „Wenn Dach und Fassade gemacht werden müssen, dann ist es günstiger, das Gerüst nur einmal aufbauen zu müssen“, rät Metzger.
Die richtige Reihenfolge beachten: Falls doch schrittweise saniert wird, empfiehlt sie: „Erst die Häuser energetisch fit machen – also dämmen. Dann die Wärmepumpe.“
Altersgerechter Umbau als Zusatzchance
Neben der energetischen Sanierung bietet sich auch der altersgerechte Umbau an. „Wer ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung hat, sollte rechtzeitig dafür sorgen, dass er in den eigenen vier Wänden auch alt werden kann“, empfiehlt Metzger.
Die Herausforderung ist groß, aber die Chancen sind da – wenn Politik und Eigentümer gemeinsam handeln und die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden.
Vorschaubild: Foto: Nils Hillebrand
Quelle: bdb-bfh