Die 34. Kleist-Festtage in Frankfurt (Oder) haben ihren Namensgeber, den Dramatiker Heinrich von Kleist, ins Hier und Jetzt geholt. In zahlreichen Veranstaltungen bot das renommierte Theater- und Literaturfestival dem Publikum vom 8. bis 13. Oktober die Gelegenheit, dem berühmten Sohn der Stadt aus neuen Perspektiven zu begegnen und Spaß mit seinem Werk zu haben.
Das Festival eröffnete am 8. Oktober mit der Vernissage von Teilen der neuen Sonderausstellung „Experimente. ‚Michael Kohlhaas‘ im Museum“, kuratiert von Viviane Jasmin Meierdreeß und Milena Rolka, die noch bis zum 23. Februar 2025 im Kleist-Museum zu sehen ist. Das Oderhochwasser sorgte für Verzögerungen im Aufbau, sodass die komplette Ausstellung am 20. Oktober um 15 Uhr mit einer weiteren Vernissage gefeiert wird. „Michael Kohlhaas“ kehrte nicht nur bei Kuratorinnenführungen wieder: Historische Theaterplakate zum Stück, die sonst nicht zu sehen sind, gaben bei einer Veranstaltung Einblicke in die Aufführungsgeschichte der bekannten Erzählung Heinrich von Kleists.
Zu den Höhepunkten im Kleist Forum zählten die Verleihung des Kleist-Förderpreises für junge Dramatiker:innen an Sarah Calörtscher und die Frankfurter Premiere ihres prämierten Stücks „Herz aus Polyester“ in der Uraufführungsinszenierung vom Deutschen Theater Berlin. Der junge Schauspieler Jonas Dumke begeisterte das Publikum mit seinem sehr persönlichen Kleist-Porträt „ACH!“, das den Dramatiker als Menschen zwischen Schreiben, Kampf, Liebe und Wahn fassbar machte. Direkt im Anschluss lieh die großartige Schauspielerin Sophie Rois dem Pferdehändler Michael Kohlhaas ihre einzigartige Stimme und reihte die Szenen der Erzählung zu einem Roadmovie mit Pferden, Feuer und Action aneinander.
Die beiden Theaterlegenden Eva Mattes und Roberto Ciulli brillierten in der Bühnen-Collage „S wie Schädel“ nach Texten von Navid Kermani, einem der bekanntesten Schriftsteller der Gegenwart. Ein stiller Abend, der das Publikum gefangen nahm und trotz aller Grausamkeit, die den Geschichten innewohnt, Kraft und Trost spendete. Beim Poetry Slam „Dead or Alive“ stand dann wieder Heinrich von Kleist im Mittelpunkt. Erstmals traten vier gestandene Schauspieler:innen mit Passagen aus Werken des Altmeisters gegen vier begnadete Poetry Slammer:innen an, die eigene Texte vortrugen. Die Entscheidung über den Sieg lag wie immer in den Händen des Publikums.
Selbst aktiv konnten die Gäste auch im Kleist-Museum werden: So ließ Schauspieler Daniel Heinz sie bei einem Leseworkshop nicht nur in Kleists Sprachwelt eintauchen, sondern auch über Syntax und Satzzeichen stolpern. Beim Kreieren und Programmieren mit dem TüftelLab Berlin konnten sich Kinder auf die naturwissenschaftlichen Spuren Heinrich von Kleists begeben, ein eigenes Orchester bauen, Stromkreise erstellen und vieles mehr. Außerdem lud ein Zeichen- und Schablonenworkshop mit Anett Lau dazu ein, „Michael Kohlhaas“ mit Rissen, Schnitten und Linien künstlerisch darzustellen.
Höchst experimentell war auch der Abschluss des Festivals im Kleist Forum: Die eigens produzierte musikalische Literaturperformance von Julia von Sell und Thomas Thieme brachte erstmals Texte von Kleist und den Boxsport zusammen – und die Boxerlegende Axel Schulz auf die Bühne. Berührende Szenen aus dem Gesamtwerk des Autors verschmolzen mit Biografien großer Boxer. Die musikalische Klammer schuf der Musiker und Komponist Arthur Thieme.
Für Florian Vogel, Künstlerischer Leiter des Kleist Forums, ist das Festival-Experiment Kleist auf unkonventionelle Weise und in unterschiedlichen Facetten auf die Bühne zu bringen, mehr als gelungen. „Selten haben wir Kleist so vielfältig bei den Kleist-Festtagen gesehen: spielerisch, zeitgenössisch, lebendig. Die großartige Festivalatmosphäre mit der Begegnung von prominenten Künstler:innen und dem Publikum bis in den späten Abend hinein war für alle Seiten äußerst inspirierend. Damit haben die Kleist-Festtage einmal mehr die Herzen des Theaterpublikums berührt.“
„Uns war es ein Anliegen, die Gäste miteinzubeziehen und Veranstaltungen mit ihnen live vor Ort zu gestalten“, sagt Anke Pätsch, Direktorin und Vorständin der Stiftung KleistMuseum. „Bei unserem ersten Museumsbrunch, den Schüler und Schülerinnen des Oberstufenzentrums kulinarisch betreuten, luden wir das Festivalpublikum zum Gespräch über die Zukunft des Kleist-Museums, seine Ausstellungen und Veranstaltungen ein. Wir wollen das Haus mit ihnen weiterentwickeln, sodass das Jubiläum zu Heinrich von Kleists 250. Geburtstag im Jahr 2027 ein Kleist-Jahr für alle wird.“
Vorschaubild: JonasDumke „Ach!“ (c) Ben Zurbriggen
Quelle: PM Messe und Veranstaltungs GmbH Frankfurt (Oder)