Heinrich von Kleist (1777–1811) ist ein bekannter deutschsprachiger Dichter. Seine Lebensgeschichte enthält viele Lücken. Forscher stellen sich daher oft Fragen über ihn. Nun hat der Wissenschaftler Hermann F. Weiss (University of Michigan) fünf unbekannte Briefe von Kleist gefunden. Die Briefe stammen aus den Jahren 1809 und 1810. Die Briefe befanden sich im Nachlass (Hinterlassenschaft) des österreichischen Diplomaten Joseph von Buol-Berenberg. Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum besitzt diese Sammlungen. Dies ist der größte Fund von Kleist-Autografen (handgeschriebene Texte) seit über 100 Jahren und der erste Neufund seit 1988. Mit der Veröffentlichung des „Kleist-Jahrbuchs 2024“ werden diese Briefe der Öffentlichkeit gezeigt.
Der Fund
Seit vielen Jahrzehnten suchen Kleist-Forscher in Europa nach dem Nachlass von Diplomaten Joseph von Buol-Berenberg. Kleist traf ihn im Jahr 1807. Im Herbst 2023 fand der 87-jährige Hermann F. Weiss diesen Nachlass im Tiroler Landesmuseum in Innsbruck. Dabei tauchten auch fünf unbekannte Briefe von Kleist auf. Die Briefe stammen aus den Jahren 1809 und 1810. Dies ist der größte Fund von Kleist-Autografen seit über 100 Jahren. Vorher gab es nur 173 erhaltene Originalbriefe von Kleist.
Die neuen Briefe
Die neuen Briefe stammen aus der Zeit des Fünften Koalitionskriegs zwischen Österreich und Frankreich (April bis Oktober 1809). Im Mai 1809 war Kleist in der Nähe der Schlacht bei Aspern. Er beschreibt diese Schlacht in einem Brief eindrücklich: „Es ist mir unschätzbar, dass ich den Kampf, der die Freiheit von Deutschland entschied, mit Augen gesehen habe.“ Nach der verlorenen Schlacht bei Wagram im Juli 1809 zeigt sich Kleist in zwei weiteren Briefen enttäuscht. Im August 1809 schreibt er, dass er keine „Rettung“ für Deutschland und keine Hoffnung für die Veröffentlichung seiner politischen Schriften sehe. Er erwähnt auch einen unbekannten Text mit dem Titel „Don Quixote“. Es gibt jedoch keine Hinweise, wo dieses Manuskript geblieben ist. Ein anderer Brief vom Januar 1810 beleuchtet eine dunkle Phase in Kleists Leben. Er war damals in Frankfurt am Main und spricht von einem großen „Unglück“.
Veröffentlichung der Funde
Hermann F. Weiss hat die fünf Kleist-Briefe ausführlich kommentiert und einen Beitrag zur Entdeckungsgeschichte geschrieben. Diese werden im neuesten „Kleist-Jahrbuch“ veröffentlicht. Das Kleist-Jahrbuch wird von der Stiftung Kleist-Museum und der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft herausgegeben. Das E-Book ist ab sofort erhältlich.
Über Heinrich von Kleist
Heinrich von Kleist schrieb bekannte Werke wie „Der Zerbrochne Krug“, „Das Erdbeben in Chili“, „Die Marquise von O.…“, „Penthesilea“ und „Michael Kohlhaas“. Sein Drama „Die Herrmannsschlacht“ markiert den Beginn seiner politischen Schriften, die bis heute umstritten sind. Im Buol-Nachlass gibt es auch viele Briefe von Personen aus Kleists Umfeld, darunter vom General und Ministerpräsidenten Ernst von Pfuel, vom Schriftsteller Friedrich Gentz und vom Philosophen Adam Müller.
Vorschaubild: Brief Heinrich von Kleists an Joseph von Buol, Stockerau, 22. Mai 1809 ©Tiroler Landesmuseen, Innsbruck, Bibliothek
Quelle: Stiftung Kleist-Museum Frankfurt (Oder)